Manche Vereine schlagen direkt digitale Wege ein – beispielsweise, weil sie sich in der Pandemie gegründet haben. Der intersektional-feministische Berliner Verein Loom e. V. ist ein solches Beispiel. Gründerin Valerie Karima Djurhuus sprach mit uns über die besonderen Herausforderungen von rassismuskritischen Vereinen und darüber, warum minimalistische Social-Media-Arbeit sinnvoll sein kann.
Interview: Marie-Claire Wygand
Digital Vereint: Valerie, erzähl uns doch etwas über deinen Verein.
Valerie Karima Djurhuus: Loom gibt es als Kollektiv seit drei, als Verein seit zwei Jahren. Wir leisten diskriminierungskritische Bildungsarbeit für Schulen, Vereine und andere Gruppen. Dazu geben wir Workshops, Mediationen und Prozessbegleitungen und arbeiten an kulturellen Bildungsprojekten mit. Unser Ansatz ist intersektional, betrachtet also Mehrfachdiskriminierungen. In unserer rassismuskritischen Arbeit berücksichtigen wir immer auch mindestens zwei weitere Kategorien von Diskriminierung: Gender und Class.
Digital Vereint: Wie ist euer Team aufgestellt?
Valerie Karima Djurhuus: Wir arbeiten sehr stark mit der Betroffenenperspektive und unsere Arbeit findet meist in Tandems statt. Die meisten unserer Workshopleiter:innen sind selbst von mehreren Diskriminierungsmerkmalen betroffen, wir eignen uns die Perspektiven der Betroffenen also nicht einfach nur an. Bisher haben wir noch keine Förderung am Laufen und sind nur drei Honorarkräfte, die Workshops geben, plus der Vorstand. Doch ab dem kommenden Jahr wird sich einiges ändern, weil wir gefördert werden. Wir haben dann endlich zwei halbe Stellen.
Bild: Der Vorstand von Loom e.V.
Digital Vereint: Was ist das Ziel eurer Onlinearbeit?
Valerie Karima Djurhuus: Wir wollen als Verein am liebsten nur langsam wachsen. Wir posten wenig und nur Wichtiges, es soll übersichtlich bleiben und einfach verständlich sein. Unser Ziel: dass die Menschen uns finden und unsere Arbeit verstehen können, ohne abgelenkt zu werden; und möglichst wenig Barrieren zu erschaffen. Zielgruppe sind für uns ja vor allem auch Menschen, deren erste Sprache nicht Deutsch ist. Und wir sehen, dass die Leute sich über Loom vor allem über Instagram und Google informieren. Unsere Webseite ist auch ein wichtiges Aushängeschild. Um damit gefunden werden zu können, spielt Suchmaschinenoptimierung (SEO) eine große Rolle.
Digital Vereint: Wollt ihr online eine andere Zielgruppe erreichen als vor Ort?
Valerie Karima Djurhuus: Unser Verein überlebt durch Mundpropaganda. Menschen reden über uns und empfehlen uns weiter, nachdem sie an Workshops teilgenommen haben. So werden wir gebucht. Wir nehmen unsere Offlinecommunity quasi mit in soziale Netzwerke und sind dort auch gut mit anderen Vereinen und Kollektiven vernetzt. Aktives Reachout betreiben wir gar nicht.
Digital Vereint: Wer betreibt eure Social-Media-Accounts und die Homepage?
Valerie Karima Djurhuus: Das machen eine Kollegin und ich gemeinsam neben unseren anderen To-dos. Wir haben keine eigene Stelle dafür.
Digital Vereint: Das klingt nach vielen Aufgaben pro Person. Was sind denn die größten Hürden in eurer Arbeit?
Valerie Karima Djurhuus: Wir strugglen wie viele andere kleine Vereine, die wichtige intersektionale Bildungsarbeit leisten. Da es nur sehr wenige Leute bei uns gibt, die sich viel Arbeit teilen und gemeinsam alles machen, arbeiten wir oft über unsere Kraft hinaus. Anders geht es nicht. Und Loom ist einfach mein Baby, mein Herzensprojekt.
Leider geht es vielen rassismuskritischen Vereinen so, die aus der Community kommen: Wir sind selbst betroffen von intersektionaler Diskriminierung, sind beispielsweise keine deutschen Muttersprachler:innen, aber geben Workshops auf Deutsch. So erfahren wir die damit einhergehenden Herausforderungen noch obendrauf auf generelle Schwierigkeiten der Vereinsarbeit, z. B. fehlende Ressourcen. Und ohne Förderung fällt leider sehr viel hintenüber. Institutionelle, strukturelle, politische Arbeit kann nicht stattfinden, Gremien- und Netzwerkarbeit fällt komplett aus, außer du bist sehr privilegiert.
Digital Vereint: Betreibt ihr denn irgendeine Form von digitalem Communitybuilding?
Valerie Karima Djurhuus: Wir fangen jetzt mit einem monatlichen Communitytreffen online an. Ab Januar starten wir ein bundesweites Projekt, da wollen wir ein regelmäßiges Treffen etablieren. Wir werden oft über soziale Medien von Betroffenen kontaktiert und beraten dann auch online. Oft findet ein erster Kontakt über Instagram statt und danach beraten wir analog weiter.
Digital Vereint:Wie habt ihr die Pandemie empfunden, besonders im Hinblick auf digitale Zusammenarbeit?
Valerie Karima Djurhuus: Wir haben uns in der Pandemie gegründet, wir kennen das also nur so. Besonders anfangs haben wir fast alles online gemacht. Seit letztem Jahr finden Treffen auch vor Ort statt, direkter Kontakt ist für viele wichtig. Aber Loom ist ein wenig wie ein Pandemiebaby, das erst mal vor allem digital Kontakt zu anderen Kindern hatte. Wir arbeiten auch intern von Anfang an bestimmt 70 Prozent der Zeit digital zusammen.
Digital Vereint: Welche Learnings möchtest du gern anderen Vereinen weitergeben?
Valerie Karima Djurhuus: Fangt da an, wo ihr schon Erfahrung habt. Stellt das dar, was ihr selbst bereits seid, könnt und versteht. Es funktioniert gut, mit den Dingen zu arbeiten, die euch bekannt sind, wo bereits Ressourcen vorhanden sind.
Und: keep it simple. Zugänglichkeit für alle schaffen statt überfordern. Ich würde immer sehr praxisnahe Methoden wählen, alltagsbezogen bleiben und nicht zu akademisch oder intellektuell kommunizieren, um möglichst wenige Menschen auszuschließen. Und Strategien sollten im Hier und Jetzt funktionieren, nicht in einer Gesellschaft der Zukunft.