Der Verein kurdischer Eltern entwickelte während der Pandemie kreative digitale Angebote zur Unterstützung von Familien.
“Wir wurden von Corona so richtig erwischt”, erzählt Maryna Markova, Koordinatorin des Bereichs Eltern- und Familienbildung bei Yekmal e.V., dem Verein kurdischer Eltern in Deutschland. Yekmal wurde vor 28 Jahren in Berlin gegründet. Damals tat sich eine kleine Gruppe von Eltern zusammen, um die lokale kurdische Community sichtbarer zu machen, sie zu stärken und die Mehrsprachigkeit zu fördern. Heute hat Yekmal über 150 Mitarbeiter*innen, zwei bilinguale Kitas, eine Akademie zur Forschung und Vernetzung mit wissenschaftlichen Institutionen, eine Asylberatung von Geflüchteten für Geflüchtete, ein Zentrum für intersektionale Diversität sowie eine ambulante Hilfe zur Erziehung und ist auch über Berlin hinaus in anderen Bundesländern aktiv.
Vor der COVID19-Pandemie lief im Verein fast alles analog. Die Teams hatten noch nie Videokonferenzen oder kollaborative Dokumente benutzt, digitale Infrastrukturen waren kaum vorhanden. Und das, obwohl sich doch gerade bei Yekmal alles um Kommunikation dreht. Als Anfang 2020 die ersten Corona-Einschränkungen wirksam wurden, wusste das Yekmal-Team vor allem Eines: Sie mussten es schaffen, trotz Allem mit den Familien in Kontakt zu bleiben. Also organisierten sie einen team-internen Workshop in dem bereits vorhandene technologischen Fähigkeiten und Möglichkeiten gesammelt wurden: “Und dann ist uns aufgefallen, dass es gar nicht so wenig ist. Zum Beispiel gab es bereits Whatsapp-Gruppen, in denen wir mit den Teilnehmenden der einzelnen Angebote vernetzt waren. Jetzt ignorieren wir mal Datenschutz, aber der Kontakt war da”, erzählt Maryna Markova.
Auf den Workshop folgte eine Umfrage bei den Familien: Was brauchen sie gerade? Was fehlt? Wie kann der Verein unterstützen? Die Umfrage zeigte, dass Smartphones die wichtigsten Geräte in den Familien sind. Das Team von Yekmal richtete also zunächst telefonische Beratungsangebote ein und half den Menschen, Zoom für Gruppensitzungen auf dem Handy zu installieren. Das funktionierte gut, löste aber nicht das Problem, dass Familien, die in Heimen für Geflüchtete leben, kaum Zugang zu Hardware haben. Dort gibt es zumeist zwar WLAN, aber zum Beispiel kaum Drucker. Darunter litten vor allem Schüler*innen in den Heimen, die im Homeschooling auf ausgedruckte Arbeitsblätter angewiesen waren. Eine schnelle Lösung war gefragt und so konnten die Schüler*innen ihre Aufgaben von nun an ausgedruckt im Büro des Vereins abholen – mit Abstand und Maske, versteht sich.
Nach einigen Wochen im Lockdown, beschloss das Team des Bereichs Eltern- und Familienbildung, mit den Familien kreative Spiel- und Lernformate zu testen. Dazu musste zunächst sehr viel ausprobiert werden, da nicht alle Familien die gleichen Möglichkeiten haben. Maryna Markova weiß:
“Wenn du mit der ganzen Familie über mehrere Jahre in einem Raum zusammen lebst, kannst du nicht einfach an einem Online-Workshop teilnehmen. Auch Nachhilfe mit den Kindern war schwierig, da sie nicht gewöhnt waren, am Bildschirm bei der Sache zu bleiben.”
Was gut funktionierte war, den Familien Materialien zum Lernen, Basteln und Spielen per Whatsapp zu senden. Im Internet gab es bereits einige Vorlagen, jedoch waren die meisten Angebote auf Deutsch und mussten von Yekmal zunächst ins Kurdische und Arabische übersetzt werden.
Auch wenn im Herbst 2021 wieder Treffen in den Räumen des Vereins stattfinden können, stellt Datenschutz nach wie vor eine große Herausforderung dar. Das Yekmal-Team versucht immer wieder, die Kommunikation auf sichere Tools umzustellen, der Wechsel wird jedoch nicht von allen Familien ihres Netzwerks umgesetzt. Immer wieder kommt es vor, dass Menschen ihnen sensible Daten per Whatsapp schicken. Das Team sucht dann das Gespräch und versucht aufzuklären. Aber sie wissen auch, dass sie vor allem den Kontakt halten muss, um die Familien zu unterstützen – und das funktioniert in der Community nunmal am besten über Whatsapp. Für die Zukunft wünscht sich Maryna Markova mehr personelle und finanzielle Ressourcen für das Team, um Digitalisierung im Verein voranzutreiben und die Community besser zu unterstützen.
Im Rückblick ist Maryna Markova zufrieden: “Wir haben ganz viel versucht, viel ausprobiert, viel wieder verworfen – und vor allem ganz viel gelernt.” Einiges werden sie sich auch für die Zeit nach der Pandemie beibehalten: Die Vereinstreffen auf Zoom ermöglichen es etwa, dass sich nun auch Menschen aus anderen Bundesländern engagieren.