Die Jazz-Big Band Omniversal Earkestra spielt ohne musikalische Leitung und Hierarchien. Dieses Konzept zieht sich auch in digitalen Fragen fort.
Gestartet hat alles 2011 im Soul Cat in der Reichenberger Straße in Kreuzberg. Aus einer lose zusammengewürfelten Jam Session mit musikalischer Grundlage von Sun Ra, Duke Ellington und Thelonious Monk hat sich das Omniversal Earkestra formiert: eine Big Band, die sich jeden Montag trifft und Jazzmusik der 40er, 50er und 60er Jahre spielt – aber auch eigene Kompositionen und freie Musik.
Kerngruppe des Omniversal Earkestras sind zwei bis drei Posaunen, eine Tuba, drei bis vier Trompeten, fünf Saxophone, ein Bass und ein Schlagzeug. Die Big Band versteht sich als “Band mit Fransen”, denn es gibt ein größeres Kollektiv an Musiker*innen, die einspringen oder auch einfach mal spontan mitspielen. Alle Musiker*innen sind Profis, das Omniversal Earkestra ist ihre Hobbyband. Die Vereinsform haben sie erst seit ein paar Jahren angenommen, in erster Linie um eine Rechtsform für Förderungen zu haben. Das war bei ihrem letzten großen Projekt, LeMali70, das von der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Initiative Musik und dem Goethe Institut gefördert wurde, besonders relevant.
Vieles läuft beim Omniversal Earkestra basisdemokratisch und ohne feste Strukturen ab. Was sich aber seit zehn Jahren unverändert durchzieht, sind die Montag-Termine, an denen sich die Band trifft, probt und im Anschluss auftritt. Der Baritonsaxofonist Franz Stahl beschreibt den Modus der Band so: “Seit April 2011 waren es maximal zwei bis drei Mal, an denen wir nicht gespielt haben. Wenn Sonntags ein Laden abgebrannt ist in dem wir am Montag gespielt hätten, haben sich Leute auf die Spur gemacht um auf jeden Fall für Montag einen anderen Laden zum Spielen zu finden.”
Durch die Corona-Pandemie und die Lockdowns hat sich das jedoch radikal verändert. Zwar hatte die Big Band im ersten Lockdown ein paar Meetings auf Zoom um Organisatorisches zu besprechen. Aber gegen Online-Auftritte oder Proben haben sich alle sehr schnell entschieden: wegen dem Mangel an professionellen Tontechniker*innen, unterschiedlicher Bandbreite, und auch den fehlenden (Aufnahme-)geräten. Die Anschaffung davon wäre zu teuer gewesen.
“Es war ein richtig krasser, langer Winterschlaf”, sagt der Posaunist Robin Hut. Und Franz Stahl ergänzt: “Ich fand es am Anfang der Pandemie so schlimm, dass das Live-Ding weggebrochen ist. Ich konnte nicht mal auf Zoom teilnehmen, weil ich so traurig war.” Das hat sich jetzt geändert, seit 11. Oktober 2021 spielt die Band endlich wieder live.
Das Omniversal Earkestra hat keine musikalische Leitung und ist sowohl musikalisch als auch sozial nicht-hierarchisch und offen organisiert.
“Es gibt so anarchische Ecken, Sollbruchstellen. In denen ich sage: Sucht euch die Töne selber. Es ist frei, es flirrt herum, man kann es nehmen wenn man will oder auch nicht. Das fasziniert mich,”
erzählt der Tenorsaxofonist Georg Pfister.
Genau diese Einstellung zieht sich in der Band auch fort, wenn es um digitale Fragen geht. Es gibt zwar eine Website, einen Facebook-Account und einen Instagram-Channel. Wer dafür verantwortlich ist und ob alles aktuell ist, ist aber nicht ganz klar. Anfangs wurde hauptsächlich per E-Mail kommuniziert. Weil immer weniger Musiker*innen Mails gelesen haben, wurde extra ein Kommunikationsbeauftragter gewählt. Den gibt es jetzt aber nicht mehr, kommuniziert wird über Telegram mit denen, die ein Smartphone besitzen. Wer keines hat oder etwas Dringendes besprechen muss, ruft auch einfach mal alle an, je nach Zeit und Energie. Georg Pfister sagt: “Es wird getan, was getan werden muss. Ansonsten bleibt es halt erstmal so.”
Ein paar (digitale) Wünsche für die Zukunft gibt es aber trotzdem: Ein Board, an dem alle einen Überblick über die anstehenden Termine haben und somit Up-To-Date sind; Unterstützung für die Band-Organisation und Kommunikation; Und mehr Möglichkeiten zur Vernetzung mit anderen Musiker*innen. Wer das interessant findet oder das Omniversal Earkestra live sehen möchte, kommt aber am Besten einfach nächsten Montag vorbei:
Ins Artisania in Neukölln in der der Neckarstraße 19, um 21:00.